Klassen, William

geb. am 18. Mai 1930 in Halbstadt, Manitoba, Kanada, als mittleres Kind unter fünfzehn Geschwistern; gest. am 29. Februar 2019 im Parkwood Mennonite Home in Waterloo, Ontario, Kanada; Prof. für Neues Testament.

William (Bill) Klassens Vorfahren wanderten 1874 aus der Ukraine nach Manitoba ein, wo sie als erfahrene Landwirte helfen sollten, die weite Prärie in ertragreiches Ackerland zu verwandeln. Sein Vater war David D. Klassen, ein Farmer und Prediger der mennonitischen Gemeinde Homewood in Manitoba. In seiner Jugend, und darüber hinaus war William Klassen dem ländlichen und mennonitischen Leben eng verbunden. Er besuchte das Mennonite Collegiate Institute in Gretna, Manitoba, und erhielt den Bachelor of Arts am Goshen College, Goshen, Indiana. Mit seiner Dissertation über das Schriftverständnis Pilgram →Marpecks erwarb er den Doktorgrad im Fach Neues Testament an der Princeton University und veröffentlichte sie 1968 unter dem Titel Covenant and Community. The Life, Writings and Hermeneutics of Pilgram Marpeck. Diese Untersuchung wurde vom Neutestamentler Otto Pieper betreut. Damit begann eine lebenslange Beschäftigung mit der Geschichte der Täufer im 16. Jahrhundert. Diese Untersuchung porträtiert Pilgram Marpeck als einen unabhängigen, schöpferischen Ausleger der Teile der Heiligen Schrift, aus denen die Säulen einer täuferischen Theologie zusammengesetzt wurden.

William Klassens Überzeugung, dass Marpecks Bedeutung unter den Mennoniten mehr als bisher bekannt gemacht werden sollte, führte zur gemeinsamen Übersetzung der kleineren Schriften und der Briefe Marpecks mit Walter Klaassen ins Englische und wurde 1978 unter dem Titel The Writings of Pilgram Marpeck in den Classics of the Radical Reformation bei Herald Press in Kitchener, Ont., veröffentlicht. Ebenso bedeutend war die Biografie Pilgram Marpecks, die er mit Walter Klaassen erarbeitet und als Pilgram Marpeck: A Life of Dissent and Conformity 2008 erscheinen ließ. Eine wichtigere Untersuchung zum Neuen Testament war sein Buch über Judas: Betrayer or Friend of Jesus?, das 1996 im Verlag Fortress Press veröffentlicht wurde. Klassen meinte, dass Judas den Herrn nicht verraten, sondern, wie der biblische Text ausweist, ihn nur „übergeben“ habe. Ebenso bedeutsam war in seiner Untersuchung der Überblick über den mörderischen Antisemitismus, der mit dem Namen des Judas verbunden worden war.

William Klassen war ein begabter Verwalter und setzte viel Zeit und Energie ein, um Spenden für die Universitäten einzuwerben, vor allem für die École Biblique in Jerusalem, in deren Vorstand er zeitweise mitarbeitete. Er lehrte im Fach Neues Testament am Mennonite Biblical Seminary in Elkhart, Indiana, an der University of Manitoba in Winnipeg und für kürzere Zeit an vielen Universitäten und Colleges in Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika. Von 1989 bis zum Eintritt in den Ruhestand als Emeritus Principal 1995 war er Prinzipal des St. Pauls United College in Waterloo. Er war ordinierter Prediger der Mennonite Church und der United Church of Canada.

Seine Schriften zur Friedensproblematik waren für ihn keine abstrakte akademische Übung. Als er in Jerusalem lehrte, brachte er israelische und palästinensische Gelehrte zusammen, um miteinander über den Frieden zu diskutieren. In seinen Schriften wies er darauf hin, dass die Bemühungen um Frieden und Versöhnung eine lange Geschichte haben, was heißen soll, dass sie nicht erst mit den Historischen Friedenskirchen in Erscheinung traten.

Im letzten Jahrzehnt seines Lebens begann sein Sehvermögen auf gravierende Weise nachzulassen, und die einsetzende Demenz erschwerte jedes Gespräch mit ihm. Zum Glück konnte er sich auf die unermüdliche Hilfe seiner Ehefrau Dona verlassen.

Bibliografie

Veröffentlichungen William Klassens (Auswahl)

Pilgram Marpeck's Two Booklets of 1531, in: Mennonite Quarterly Review 33, 1959, 18–30. - Current Issues in New Testament Interpretation, hg. mit G. F. Snyder, New York 1962. - Love Your Enemy. A Study of New Testament Teaching on Coping with the Enemy, in: Biblical Realism Confronts the Nation, hg. von Paul Peachey, New York 1963. - Covenant and Community: The Life, Writings, and Hermeneutics of Pilgram Marpeck Grand Rapids, MI, 1968. - Jesus and the Zealot Option, in: Canadian Journal of Theology, Spring 1970, 12–21. - Die Gestalt des Glaubens in der Nachfolge, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Die Mennoniten, Kirchen der Welt VIII, Stuttgart 1971, 41–52. - The Writings of Pilgram Marpeck, hg. mit Walter Klaassen, Kitchener, Ont., 1978. - Pilgram Marpeck, Freiheit ohne Gewalt, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Radikale Reformatoren, München 1978, 146–154. - The Role of the Child in Anabaptism in Mennonite Images, hg. von Harry Loewen, Winnipeg 1980, 17–32. - The Limits of Political Authority as Seen by Pilgram Marpeck, in: Mennonite Quarterly Review 58, 1982, 342–364. - Love of Enemies: The Way to Peace, Mineapolis 1984. - Musonius Rufus and the Living Law, in: Studies in Religion 14,1985, 63–71. - Jesus and the Messianic War, in: Early Jewish and Christian Exegesis. Studies in Memory of William Hugh Brownlee, hg. von C. A. Evans and W. F. Stinespring, Atlanta 1987, 155–175. - Judas: Betrayer or Friend of Jesus?, Mineapolis 1996. - The Contribution of Jewish Scholars to the Quest for the Historical Jesus, Cambridge 2000. - Marpeck: A Life of Dissent and Conformity (mit Walter Klaassen), Waterloo, Ont., und Scottdale, PA, 2008.

Walter Klaassen

 
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