Basel

1. Das frühe Täufertum in Basel im 16. und 17. Jahrhundert

Nur wenige Monate nach den Anfängen des Zürcher Täuferkreises im Januar 1525 (→Täufer) gab es auch in der Stadt Basel eine täuferische Gemeinde, welche trotz Repression rasch anwuchs. Mit dem Durchbruch der Reformation im Jahr 1529 setzte allerdings eine systematische Verfolgung ein, die auch vor Hinrichtungen nicht zurückschreckte. So wurde das einheimische Täufertum weitgehend eingedämmt und in ländliche Randregionen abgedrängt.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts führte allerdings eine verglichen mit dem übrigen Europa vorübergehend relativ offene und tolerante Atmosphäre zu einem erneuten Aufblühen der Täuferbewegung. Dies ermöglichte auch den Aufenthalt von so unorthodoxen Denkern wie dem Calvin-Kritiker Sebastian Castellio (1515–1563) und dem unter dem Pseudonym Jan van Brügge seit 1544 hier weilenden spiritualistischen Täufer David →Joris (ca. 1501–1556) und seinem Anhang aus den Niederlanden.

Seit den 1580er Jahren wich dieses verhältnismäßig offene Klima allerdings wieder einer repressiveren Politik. Versammlungs- und Redeverbote, lange Gefangenschaften und Folter, Güterkonfiskationen und Ausweisungen trieben auch hier eine große Zahl von Taufgesinnten zur Flucht ins Ausland. Asylorte waren anfangs vor allem →Mähren, später das Elsass und die →Pfalz. Wichtige täuferische Zentren befanden sich bis 1700 im Leimental und am Blauen im Süden und Südwesten der Stadt, sodann jenseits des Rheins im Nordosten bei Riehen, Lörrach und Grenzach, ferner im Südosten in Buus, Maisprach und Tecknau, vor allem aber in Thürnen und Rothenfluh.

2. Das Ende des alten Basler Täufertums und der Neuzuzug bernischer Taufgesinnter im 18. Jahrhundert

Um 1700 schien das Rückgrat des einheimischen Täufertums weitgehend gebrochen zu sein. Wohl kam es im Umfeld des radikalen →Pietismus zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu erwecklichen Aufbrüchen mit täuferischen Bezügen in Pratteln, Frenkendorf, Diegten und Langenbruck. So ist es erwähnenswert, dass einer der Mitbegründer der Schwarzenauer Täufer (spätere →Church of the Brethren), Andreas Bohni, aus Frenkendorf stammte.

Aber ein erneutes Aufblühen täuferischer Gemeinden im Raum Basel erfolgte erst ab 1750, allerdings nicht aus eigenen Wurzeln, sondern durch die Zuwanderung von meist bernischen Täuferinnen und Täufern (→Bern) aus dem Jura und Elsass, später auch direkt aus dem Emmental. Wachsende Einflüsse aus Pietismus und Aufklärung hatten frühere Diskriminierungen abgebaut und diese Neuansiedelung ermöglicht. Einzige berufliche Tätigkeit stellte für diese Taufgesinnten vorerst die Bewirtschaftung von teils abgelegenen, später aber auch zunehmend bevorzugt liegenden Sennhöfen dar wie St. Romai, Arxhof, Wildenstein, Dietisberg, Witwald, Schillingsrain oder Alt-Schauenburg. Bald kamen aber auch große Höfe in Stadtnähe hinzu wie Brüglingen, St. Jakob, Rothaus, Schlossgut Binningen oder der Wenkenhof.

Mit dieser täuferischen Zuwanderung in den Raum Basel bildeten sich gegen 1780 zwei unterschiedliche Gemeinden heraus, eine amische im unteren Baselbiet (→Basel-Holee) und eine nicht-amische im oberen Baselbiet (→Schänzli).

3. Das «Fromme Basel» als Zentrum spätpietistischer Erweckungsbewegungen im 19. Jahrhundert

Für die Täufergeschichte bedeutsam ist weiter aber auch die Tatsache, dass Basel im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einem der europäischen Zentren der Erweckungsbewegung geworden ist. Deutschsprachigen Mennoniten aus der Schweiz, dem Elsass, aus Süddeutschland, Westpreußen und Südrussland, die im Kontext von Spätpietismus, Réveil, Gemeinschafts- und Heiligungsbewegung Theologie und Pädagogik studieren wollten, bot Basel eine reiche Palette an Ausbildungsmöglichkeiten. Erwähnt seien namentlich die Pilgermission St. Chrischona mit dem angegliederten Predigerseminar (seit 1840), die Evangelische Predigerschule (1876–1915), die Armenschullehreranstalt Beuggen bei Rheinfelden (ab 1820), aber auch die Basler Mission (ab 1815). Dutzende junger Mennoniten genossen hier eine meist mehrjährige Ausbildung und legten damit den Grundstock für vielfältige Tätigkeiten in Theologie, Gemeindebau, Mission, Publizistik und Pädagogik. Genannt seien als Beispiele für viele andere Carl Justus van der Smissen (1811–1890), Jakob Ellenberger (1831–1901), Gerhard Harder (1857–1931), Abraham Geiser (1857–1928), Hermann Fast (1860–1935), Johann Fast (1861–1941), Peter Paul Rempel (1865–1938), Samuel Nussbaumer (1866–1944), Johann Thiessen (1869–1953), Valentin Pelsy (1870–1925), Johann Klaassen (1872–1950), Pierre Sommer (1874–1952), Jakob Quiring (1876–1942), Salomon Ediger (1876–1940), Heinrich H. Funck (1880–1941?), Jakob A. Rempel (1883–1941?), Peter G. Epp (1888–1954), Jacob J. Baerg (1890–1978) [Für Details vgl. Die Angaben unter www.gameo.org.].

Die Bedeutung des «erwecklichen Basel» als prägende Kraft auf täuferisch-mennonitische Gemeinden ist noch längst nicht angemessen erforscht und evaluiert worden.

4. Die Rolle Basels im Rahmen der weltweiten mennonitischen Gemeinschaft

Diese internationale Bedeutung und Ausstrahlung Basels als eines Zentrums der kulturellen, aber auch der kirchlich-theologischen Begegnung, sowie seine Lage am Dreiländereck von Frankreich, Deutschland und der Schweiz dürften maßgeblich dazu beigetragen haben, dass hier 1925 die erste (und 1952 die fünfte) Vollversammlung der →Mennonitischen Weltkonferenz stattgefunden haben. Diese spezielle Stellung Basels hat aber auch dazu geführt, dass hier nach dem Zweiten Weltkrieg das nordamerikanische →Mennonite Central Committee (MCC) für einige Jahre sein Europa-Büro zur Planung und Durchführung seiner Wiederaufbauarbeit eingerichtet hat. Nordamerikanische MCC-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (wie Paul →Peachey, John H. →Yoder u. v. a.) haben von hier aus prägende Kontakte zu europäischen Mennonitengemeinden aufgebaut; und im Gefolge dieser Präsenz haben sich bekanntlich auch die Anfänge der Europäischen Mennonitischen Bibelschule (→Bienenberg) sowie des mennonitischen Agape-Verlages entfaltet.

Literatur

Hanspeter Jecker, Die Basler Täufer. Studien zur Vor- und Frühgeschichte, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 80, Basel 1980, 5–131 (URL: https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=bzg-002:1980:80#3). - Ders., Ketzer, Rebellen, Heilige. Das Basler Täufertum von 1580 bis 1700 (Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 64), Liestal 1998. - Ders., Von Pietisten, Separatisten und Wiedertäufern. Ungereimte Geschichte aus dem Baselbiet, Basel 2003. - Ders., „Und ob es schon nicht in Kana wäre“ – Die Rückkehr des Täufertums nach Basel und die Anfänge einer ‚unteren' und einer ‚oberen' Gemeinde 1770–1800“, in: Mennonitica Helvetica 26/27, 2003–2004, 7–91. - Ders., Die Bedeutung von Basel für die Anfänge des Täufertums, in: Christine Christ-von Wedel, Sven Grosse und Bernd Hamm (Hg.), Basel als Zentrum des geistigen Austausches in der frühen Reformation, Tübingen 2014, 257–272. - Thomas K. Kuhn und Martin Sallmann, Das „Fromme Basel“: Religion in einer Stadt des 19. Jahrhunderts, Basel 2002. - Christoph Ramstein, Die Evangelische Predigerschule in Basel: Die treibenden Kräfte und die Entwicklung der Schule, Bern 2001.

Hanspeter Jecker

 
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